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Das geht mir unter die Haut

Erstellt von Christina Ott | | Blogeintrag

Ein Komma acht Quadratmeter groß und etliche Kilogramm schwer. Das ist sie, unsere Haut. Eine riesige Branche beschäftigt sich damit, uns Produkte zur Hautpflege anzupreisen. Natürlich wünschen wir uns, dass unsere Haut hübsch aussieht - gepflegt, frisch und faltenfrei.

Doch das ist ziemlich nebensächlich. Sobald wir uns auf ihre Funktion besinnen, merken wir, dass es Wichtigeres gibt, als das Aussehen. Unsere Haut ist dazu da, uns zu schützen. Sie hält Wertvolles, so wie Wasser, innen. Schädliches hält sie ab, zum Beispiel Hitze, Licht, Verletzungen und Infektionen. Wie eine Gore-Tex Jacke bietet sie Schutz und ist gleichzeitig durchlässig.

Nicht herabrieseln lassen wie Duschwasser

In emotionalen Momenten sagen manche: „Das geht mir unter die Haut!“ Wie kam diese Redeweise zustande, die fast seit hundert Jahren zu unserem Sprachschatz gehört? Um 1935 wurde sie aus dem Englischen übernommen („to get under someone´s skin“). Vermutlich gab es in unserer eigenen Sprachgruppe kein Pendant dafür. Doch die Erfahrung dahinter ist kulturübergreifend. Manche Ereignisse können solch starke Gefühle auslösen, dass sie nicht einfach an uns herabrieseln wie das Duschwasser.

Dünnhäutig

Wie geht es Dir in diesen Tagen? Ich erwache beglückt, wenn der Gesang von Rotkehlchen und Amseln vor unserem Fenster ertönt. Doch innerhalb weniger Augenblicke schießt mir der Schrecken ins Bewusstsein: Nicht weit entfernt tobt ein brutaler Krieg. Frauen und Kinder, Alte und Kranke gehen in einen weiteren lebensgefährlichen Tag. Und schon ist die Entspannung hinüber. Mit Anspannung schalte ich die Morgennachrichten an. Welche Hiobsbotschaften wird es wieder geben?

Ja, mich erschüttern die bedrängenden Fakten zum Krieg gleich nebenan. Einzelne Nachrichten oder Bilder lassen mir Tränen in die Augen schießen. So wie die Nachricht vom Angriff auf eine Entbindungsklinik in Mariupol. Unfassbares Leid! Viele um uns herum sind in den letzten Tagen dünnhäutig geworden. Das halte ich für ein Zeichen der Menschlichkeit. Echtes Mitgefühl macht einen Menschen in gewissem Sinne schöner, als makellose Haut.

 

Ich will kein Dickhäuter sein

„Was geht’s mich an?“, sagen sich einige. „Selbst verschuldet. Man weiß ja nie, was wirklich dahintersteckt“, so denken sie und rühren unbeteiligt ihren Morgenkaffee. Jeder ist sich selbst der Nächste. Erst, wenn es ihnen selbst „an die Haut geht“, werden sie aktiv.

Nein, ich will kein Dickhäuter sein. Mitgefühl ist eine der stärksten, verbindenden Emotionen. Und davon können wir eine große Portion gebrauchen. Die Not anderer Menschen will ich nicht einfach abperlen lassen. Sie darf mir unter die Haut dringen. Sie darf mein Herz erreichen. Starke Emotionen sind dazu da, um uns zum Handeln zu bewegen. Auch wenn es - gemessen am Umfang des Leides - nicht viel ist, was wir gegenwärtig tun können. Menschen beteiligen sich an gigantischen Hilfsaktionen und bringen persönliche Opfer. Gläubige verbinden sich zu ausdauernden Gebeten. Institutionen arbeiten unter Hochdruck, um Unterstützung für Geflüchtete zu ermöglichen.

Mitgefühl bringt zum Handeln

Schon Jesus Christus lockt seine Zuhörer aus der Theorie in die Praxis. „Wer ist mein Nächster?“, lautete die distanzierte Frage eines Zuhörers. „Der, der unter die Räuber gefallen ist.“ Diese Antwort gibt Jesus nicht in einem Satz, sondern in einer Geschichte. Sie dreht sich um unverschuldetes Leid, eiliges Vorbeigehen oder barmherziges, tatkräftiges Mitgefühl (Lukas 10, 25 - 37). Wie würde Jesus das Gleichnis vom barmherzigen Samariter heute erzählen? Wer wären die Protagonisten und wo würde ich mich dabei wiederentdecken?

Menschen sind heute bereit, für das Stechen eines Tattoos einiges an Schmerzen auszuhalten. Sind wir es auch, wenn uns die Not unserer Mitmenschen unter die Haut dringt? Dafür ist es notwendig, durchlässig zu bleiben. Der Schmerz will uns dann zur Aktivität bewegen. Ein indischer Autor schreibt, dass Mitgefühl nicht die Haltung der Freundlichkeit sei, sondern ein Instrument der unvoreingenommenen Beteiligung. Genau dafür brauchen wir emotionale Berührbarkeit. 

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Ich poliere kleine Fundstücke des Alltags und halte sie ins Licht der Psychologie und des christlichen Glaubens, bis sie beginnen zu funkeln.

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