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Eintrittskarte in das Leben von Menschen

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Gastbeitrag Facebook Gruppe BEYOND - Juli 21

Die Arbeit mit Menschen ist großartig - wenn man sie zu nehmen weiß

Sozialer Beruf trifft Individualpsychologie
 
Dass ich den Umgang mit Menschen liebte, führte mich zum Beruf der Krankenschwester. Unzählige Menschen bringen sich ebenfalls mit ganzem Herzen im Sozialen Sektor ein. Manchmal wünschten wir dabei, mehr zu erreichen und weniger Kräfte zu verschleißen. Deshalb möchte ich Dir kurz vorstellen, wie die Individualpsychologie Deine Arbeit bereichern und entlasten kann.

Das ungewohnte Wort „Individualpsychologie“ (IP) wird bei Dir ein Fragezeichen wecken. Diese Bezeichnung beschreibt einen Zweig der Tiefenpsychologie – auch Adlerianische Psychologie genannt. Vor mehr als hundert Jahren war der Arzt und Psychotherapeut Alfred Adler (1870 – 1937) ihr Begründer. Der enthaltene Wortstamm „indivedere“ (lat. für unteilbar) weist darauf hin, dass der Mensch ein einheitliches Ganzes ist, auch wenn er es nicht immer selbst versteht.

Der Ansatz der IP dient der eigenverantwortlichen Lebensgestaltung und lässt sich sehr gut mit dem christlichen Menschenbild vereinbaren. Wer im sozialen Bereich auf der Basis der christlichen Ethik arbeitet, kann durch IP noch wertvolle praktische Denk- und Handlungsweisen hinzugewinnen. Denn unser Wissen, dass jeder Mensch in Gottes Augen gleich wertvoll ist, soll ja in Handlungsweisen tatsächlich greifbar werden.

Zwei Hauptgedanken Adlers sind

Die Finalität - Jeder Mensch verfolgt mit allem, was er denkt, fühlt und tut unverstandene Ziele. Nur in dieser Zielgerichtetheit lässt sich der Mensch verstehen.

Die Entscheidungsmacht - Jeder Mensch trifft jederzeit (auch unbewusst) Entscheidungen. Damit nimmt er Einfluss auf sein Leben. Auf dieser Schiene liegt gleichzeitig seine größte Veränderungschance.

Mit diesem Wissen im Gepäck schaue ich wesentlich verständnisvoller, barmherziger und geduldiger auf die Menschen in meiner Umgebung. Das hätte ich schon früher wissen sollen… Welche Fallen erschweren uns als medizinisch/sozial Tätige den Umgang mit den Hilfesuchenden?

Falle 1: Wir gehen zu sehr von uns selbst aus und schlussfolgern dann auf andere.

Ja, wenn jeder so ticken würde wie wir, wäre alles soooo einfach:-) Doch wichtigste Grundregel für alle Bereiche des Zusammenlebens: der Andere ist vollkommen anders. Jeder Mensch hat seine eigene „private Logik“. Und die ist tatsächlich nur für den „logisch“, der sie selbst in sich trägt.

Falle 2: Wir machen uns nicht genug Mühe, den anderen verstehen zu wollen.

Alle Appelle, Belehrungen und Ratschläge gehen von unserer Logik aus. Deshalb erreichen wir mit ihnen oft nur wenig. Genaues Hinsehen, Zuhören und Einsteigen in die Gedanken- und Sprachwelt des Patienten/Klienten hilft uns, an seine private Logik anzudocken. Damit können wir viel mehr erreichen. Und es gibt interessante Zusammenhänge zu entdecken. Vielleich widerspricht ein Patient immerzu, weil er sich von niemandem etwas sagen lassen will. Oder eine Patientin macht nicht richtig mit, weil sie es genießt, umsorgt zu werden.

Falle 3: Wir schauen auf andere herab, belächeln sie oder werten sie ab.

Adler nennt dieses Phänomen die Haltung der moralischen Überlegenheit. Sie steckt tief in uns drin und torpediert das gleichwertige Zusammenleben. Mit freundlichen Blicken, gewinnender Stimme und verständnisvollen Worten begibst Du Dich mit Deinem Gegenüber auf eine Ebene. Damit kannst Du fast jeden erreichen: das Heimkind, die ängstliche Behinderte, den ungepflegten Alkoholabhängigen, den unnahbaren Intellektuellen oder verwirrten Demenzkranken.

Das echte Interesse am Einzelnen mit Achtung vor seiner Lebensgeschichte und seiner Prägung ist die Eintrittskarte in sein Leben. Wenn Du das beachtest, wird manch „komischer Kauz“ zum liebenswerten Kerl. Hinter zickigen Tanten verstecken sich Charakterfrauen. Die Arbeit mit Menschen ist großartig – Du musst sie nur zu nehmen wissen. Und Dich selbst natürlich auch.

Christina Ott ist Psychologische Beraterin, Referentin und Autorin. 2021 ging sie für 6 Monate pandemiebedingt in ihren Beruf als Krankenschwester zurück. Als Supervisorin begleitet sie Sozialpädagogen, Erzieher und medizinisches Personal.


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